Am Strand in Italien

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Am Strand in Italien

Albert Einstein sagt, die Zeit gäbe es nur deshalb, weil sonst alle Dinge gleichzeitig passieren müssten. Zeit hin oder her – manchmal passieren Dinge tatsächlich gleichzeitig – so gleichzeitig, dass man Mühe hat, es zu begreifen.

zwei mädchen im SandAm Strand in Italien

Man kann nicht glauben, was man sieht: Alles ist wie immer. Da kommen Bundestagswahlen, KoreaKrisen, Wirbelstürme und Autokraten aller Art in den Nachrichten – und alles bleibt unberührt davon. Besonders schön ist das in Italien zu beobachten, im Sommer.

September

In Italien ist der Ferragosto herum, jetzt sind Oma und Opa mit ihren Enkelkindern am Meer. Dort angekommen marschieren sie an den Strand, breiten ihre Badetücher aus, cremen sich ein und rösten. Und wenn die Welt zusammenfällt – der Strand ist heilig. Und das Leben dort ist wunderbar und friedlich und alle weben diszipliniert am weichen warmen Tuch der Sand-Harmonie. Obwohl man dicht an dicht liegt, zum größten Teil entblößt, starrt keiner. Obwohl man Körper sieht, die jedwede Norm verletzen, wird nicht gekichert. Obwohl man vom Kinderfußball dort getroffen wird, wo es am meisten wehtut, schimpft keiner. Obwohl man an der Süßwasserdusche anstehen muss wie weiland nur in der DDR, meckert keiner. Man lacht, man redet, man raucht, man liest, man schläft, man isst Eis, man küsst sich, man zieht sich unter Verrenkungen um, man lacht, man redet, man steht auf und legt sich nieder, man wendet sich und röstet und man redet und lacht.

Mehrgenerationenstrand

Und alle Genrationen sind hier und dazu braucht man am Strand in Italien kein Mehrgenerationenhaus und keine staatliche Anschubfinanzierung. Da kommen im Gänsemarsch Nonno und Nonna, sie mit Kühltasche und Spielzeug, er mit Sonnenschirm und Liegestuhl. Und hinter ihnen traben lachend und schubsend die Enkel, einer nach dem anderen und freuen sich. Dann wird unter stetem Palavern der Standort gewählt, der Nonno installiert sich und seine Gerätschaften, die Nanna lässt die Enkel in die Badehosen steigen, gibt lautstark Ermahnungen und entlässt die Bande. Und zündet sich dann erst einmal eine Zigarette an. Und dann werden die Spielkarten herausgeholt…

Kein Ausgrenzen

Oder dort, diese Bauernfamilie aus den Bergen: Die Männer gehen schweren Schrittes, die Badeanzüge der Frauen sind von vorgestern, die Körper wuchtig, die Gesichter gegerbt, die Bewegungen unelegant. In ihrer Mitte sind zwei Geschöpfe mit den typischen Zeichen des Down Syndroms. Sie gehören dazu und beteiligen sich am Geschnatter, sie haben jedes Recht, hier zu sein und denken gar nicht daran, sich verstecken zu müssen. Niemand denkt daran. Hier nicht.

Stadt und Land

Links wiederum campiert ein Club von alten Damen, keine unter siebzig, alle in knappen Bikinis, mit Schnurrbärten über den Lippen und Sonnenbrillen in den Haaren: Sie spielen mit Hingabe ein Kartenspiel und kommentieren jeden überraschenden Zug mit größtem Vergnügen. Mit tiefen Stimmen, die meterweit zu hören sind. Rechts liegt ein altes, sehr altes Paar Seit an Seit und auf einem großen Badehandtuch – sie mit Paillettenbikini, er mit weißer Leinenhose. Sie liegen da jeden Nachmittag, ein schönes, ein zierliches, ein fast intellektuell anmutendes Paar aus der Stadt. Man sieht sie von Juni bis September, an eben dieser Stelle, anfangs honigbraun, später bronzen. Und es erfreut das Auge, wenn man die altertümlich chivalreske Art sieht, mit der er ihr die Hand reicht, um sie aus dem Sand hochzuziehen zum täglichen Bade im Meer. Sie sprechen nicht viel, sie sprechen leise, aber sie kommunizieren miteinander, höflich, wie man annimmt.

Und die Liebe

Die Liebespaare: Natürlich sind sie da. Sie liegen mehr auf- als nebeneinander, sie sehen sich in die Augen, sie zupfen und nesteln an Bikiniträgern und Badehosenschlaufen, sie cremen mit Hingabe, sie schlecken Eis auf laszive – und vielleicht abgeguckte – Kinoart. Bürsten fahren durch nasse Haare, Höschen werden aus Pofalten gezupft, Pickel ausgedrückt, Lippenpaare finden einander und saugen sich fest und der Betrachter muss den Blick himmelwärts wenden, wo wieder ein Flieger den unanständig blauen Himmel mit einem weißen Schnitt in zwei Hälften teilt.

Und wenn wirklich irgendwo  ein Krieg ausbrechen sollte: In Italien am Strand braucht man nur zu warten bis der knackige Bursche kommt, der Eis verkauft, oder Kokosfleischstreifen oder süße Schmalzkringel. Schon von Weitem hört man seinen Ruf, der sich im Laufe der Jahre von der heißen Sonne Italiens zu einem unkenntlichen Klagelaut zusammenschmoren lassen musste.

Und so lange dieser Ruf ertönt, das weiß man, geht die Welt nicht unter.

Nicht hier an diesem Strand.

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PS in eigener Sache: Dies ist ein Beitrag von 2015, den wir aktualisiert haben.

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