Wann hast du dich wirklich frei gefühlt? Wir fragen unsere Frauenrunde

Nicht nur unter Corona haben wir erkannt, wie wichtig persönliche Unterhaltungen zu einzelnen Themen sind. Weil es aber physisch nicht immer geht, müssen wir uns online unterhalten, so zum Beispiel per eMail.

Wir wollen ab jetzt ab und an kurze Statements veröffentlichen, die uns unsere Leserinnen und Leser spenden. Wir fragen, sie antworten spontan. (Nicht unähnlich der Runde, die uns schon zum Thema Sinnlich sein oder werden ihre Ansichten spenden (zu finden unter den Frivolini).) Es geht nicht um Tiefschürfendes, sondern um ein paar Sätze, die uns verraten, wie jemand über eine gewisse Sache denkt.


Wir haben uns wieder getroffen – virtuell natürlich. Und uns – und die Männerrunde – mit folgender Frage beschäftigt:

Wann hast du dich wirklich frei gefühlt?

Mit 18 Jahren war ich in der Stuttgarter Kunstakademie, seither bin ich das, was man Freischaffende Künstlerin nennt mit Schwerpunktthema „Mensch“. Froh bin ich über Literatur und glücklich, wenn ich ein schönes Buch in Händen halte.

Seit Tagen überlege ich immer wieder mal, was genau eigentlich Freiheit bedeutet. Und komme zu dem Schluß, daß es nur Freiheit von etwas Bestimmten geben kann, nicht eine ganz allgemeine.
Wann also habe ich mich am freiesten gefühlt? Als die Schule hinter mir und die Kunstakademie vor mir lag. Die Qualen in einer Schule, in der selbst junge Lehrerinnen Angst hatten vor der Rektorin, hatten mehr mit alltäglichen Kämpfen als mit Lernen zu tun. Und erst danach konnte ich mir einigermaßen unbeschwert Wissen aneignen.
🌱Schöne Maigrüße🌱     Ines


Wann hast du dich wirklich frei gefühlt?

Barbara sagt:

Ich heiße Barbara und bin nach der Juristerei auf die Kunst gekommen. Eine Kunst, die zum Nachdenken und Loslassen anregen soll und die ich mit Leidenschaft betreibe.

Liebe Nessa,    

Fast kommt es mir so vor, als habe ich lange geschlafen und weiß gar nicht mehr, wie „Freiheit fühlen“ geht. Nach über zwei Jahren Pandemie und umfassender Sorge für meinen Mann komme ich ins Grübeln.  Ich denke weiter und weiter und es entstehen Bilder. Ich erinnere mich an Situationen, in denen ich mich frei gefühlt habe. Für eine Steigerung zum “ am Freiesten gefühlt“ fällt mir momentan nichts ein.  

Freigefühlt habe ich mich als Grundschulkind am Rundlauf. Man fasste eine der am Gerät befestigten Strickleitern, setzte sich per pedes in Bewegung,beschleunigte und hob mit der Strickleiter ab in die Luft.   Freigefühlt habe ich mich im Meer. Weit hinausgeschwommen und nur noch die Wellen und der Himmel.  Freigefühlt habe ich mich in den Bergen. Sowohl beim Anblick der Berge als auch am Gipfel der Berge.   Freigefühlt habe ich mich jahrelang beim Steinhauen. Da hatte ich das Gefühl. auf der Alm zu sein, auf der mich Kuhglocken begleiteten.  

Ich habe das alles nicht vergessen,weil ich mich immer wieder danach sehne!  

Liebe Grüße
Barbara 


Wann hast du dich wirklich frei gefühlt?

Ich bin Lea, Altruistin, Misanthropin, halb freiberufliche Texterin und Übersetzerin für Leichte Sprache, halb Geschäftsführerin eines gemeinnützigen Vereins, ohne menschlichen Anhang, dafür wunderbar fest verbunden mit dem unglaublichsten Profiplüschtier der Welt, meiner Blindenführhündin Arzu.

Liebe Nessa,

Liebe Nessa,

wirklich frei habe ich mich in meinem Leben eigentlich nie gefühlt.
Dafür hatte ich immer zu viele Einschränkungen durch meine Blindheit,
die sich unüberwindlich anfühlten. Alleine reisen oder auf eigene Faust
wirklich gewagte, neue Projekte zu beginnen, habe ich mir nie zugetraut
und mir daher wohl schon im Denken viel Freiheit gar nicht erst
ermöglicht. Selbst in den Momenten, wo ich mich ansatzweise frei fühlte
(mit meinem Partner auf seinem Boot mitten im niederländischen
Nationalpark), wusste ich immer und spürte im Alltag ständig, wie
abhängig ich von der Hilfe Anderer bin und wie wenig frei sich das
anfühlt. Insofern kann ich Deine Frage leider nicht beantworten.

Liebe Grüße

Lea


Wann hast du dich wirklich frei gefühlt?

Ich bin Anne, Mathematikerin und Lebenskünstlerin aus Passion mit einem Technikfaible und ewiger, grenzenloser Neugierde.

Anne sagt:

Diese Mal nicht mit dabei,
Liebe Grüße Anne


Mich kennen Sie natürlich. Ich bin Nessa Altura, die Betreiberin dieses Blogs. Und ich bin diejenige, die hier die Fragen stellt.

Wann hast du dich wirklich frei gefühlt?

Ich meine mich, neben anderen kleineren, zwei Mal an ganz große Freiheitsgefühle zu erinnern. Das erste Mal war nach dem ersten Staatsexamen, als ich eine Backpacker-Tour rund um die Welt antrat. Allein, weil diejenigen, die gesagt hatten, sie gingen mit, in letzter Minute abgesprungen waren.

Natürlich hatte ich auch Angst. Meine Mutter brachte mich im Winter an den Flughafen Frankfurt. Ich hatte die Passkontrolle und sonstwas passiert, als ich plötzlich merkte, dass ich meine warme Winterjacke noch trug… und das, obwohl ich ja ins tropische Asien fliegen wollte. Ich rannte also zurück und warf meiner Mutter die Winterjacke über die Absperrung hinweg zu. Das war so, als hätte ich jetzt alle Brücken hinter mir abgebrochen. Als ich nun nur im leichten T-Shirt auf dem rollenden Frankfurter Flughafenband stand, überwältigte mich plötzlich ein ganz und gar ungeheuerliches Freiheitsgefühl.

Und ein zweites Mal, als ich mit dem Auto nach Griechenland fuhr, über zwei Fähren und zahlreiche Autobahnen. Ich wollte und sollte mit einem ganz bestimmten Auftrag ein halbes Jahr auf einer griechischen Insel verbringen. Und während dieser langen Autofahrt in den Süden, das Fenster heruntergedreht, den Ellenbogen in der Sonne, in der andern Hand eine Zigarette, fühlt ich mich ganz umwerfend frei. Unerreichbar für die Pflichten der Heimat. Und losgelöst von der Erden…

Später gab es dann schon Situationen, in denen man dachte: hach, jetzt musst du dich aber frei fühlen! Und das Gefühl stellte sich nicht ein. Und man fühlte sich betrogen, oder umgekehrt: Man fühlte, dass man die Welt betrog.


Ihr Lieben, das war sehr aufschlussreich. Und ja, Lea, das ständige Abhängigsein ist für uns wahrscheinlich gar nicht wirklich nachvollziehbar. Das ist eine Bürde, die du da tragen musst, niederschmetternd. Deshalb bewundere ich um so mehr, wie du das schaffst: optimistisch bleibst, aktivistisch bleibst und offen bleibst für solche Fragen – und daran hatte ich gar nicht gedacht, das muss ich zugeben – die wehtun müssen. Chapeau! Und DANKE!

Vielen Dank für eure hilfreichen Antworten, ihr Lieben! Schaut euch auch an, was die Männer so dazu gesagt haben…

Nessa

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