Lesungen

Ich bin ja eigentlich im Urlaub in Italien, aber wenn ich manchmal die Augen schließe, während ich mein Gesicht in die Septembersonne halte, dann stelle ich mir die nächsten beiden Lesungen vor, die auf mich zukommen in diesem Herbst. Und dann frage ich mich:

Warum gibts eigentlich immer noch Autorenlesungen?

Es hat ja etwas Anachronistisches an sich, so eine Autorenlesung. Da gibt es Tonträger, TV, Film und Funk und Youtube und dennoch kommen Menschen in ein oft nicht sonderlich wohnliches Gehäuse, um sich anzuhören, wie jemand etwas vorträgt.

Oft inklusive Husten, Schneuzen und Stühlerücken und – wenns ganz schlimm kommt – Schnarchen.

Und oben auf dem Podium oder hinter einem Stehtisch oder auf einem Sessel thront der Autor oder die Autorin und liest mit ihrer wahlweise*

[*je nach dem – bitte ankreuzen!]

zitternden, dialektbeladenen, pathetischen, tonlosen, überbetonten, langweiligen, lauten, überlauten, unangenehmen, heiseren, kieksenden, sonoren, wohlklingenden (Gießkannnen-, Reibeisen-, Raucher- oder Engels-)stimme

aus Texten vor, deren Anfang und Ende man oft nicht kennt.

Da blickt man mal skeptisch, mal entzückt auf einen Autor oder eine Autorin und denkt sich seinen Teil. Und hinterher wird man sich fragen, was davon der Autor oder die Autorin selbst erlebt hat. So sagt es jedenfalls dieser lesenswerte

Artikel aus der WELT,

der sich mit dem unersättlichen Wunsch des Lesers oder Zuhörers nach Biografischem befasst.

Bei Don Winslow kürzlich auf einer Buchmesse war es die Frage, ob er schon selbst so geschossen habe wie es sein Krimipersonal nicht selten tue. Und ob er über so viel ballistisches Wissen verfüge, wie er durchblicken lasse…

2016-03-18 15.39.15

Ja, und da hat er gesagt, dass er selbst nicht schieße (obwohl er es einmal versucht habe), dass aber sein amerikanisches Publikum solcherlei Kenntnisse von ihm erwarte und er es nicht enttäuschen wolle. Er ziehe sich sein Know-How aus dem Netz, da gäbe es das alles.

Ja, so ist das. Und das wissen wir ja auch alle. Darknet usw., nicht wahr? Und deshalb erschrecken wir manchmal, nicht vor Don Winslow, aber womöglich vor anderen Autoren…

Dagmar Bittner - Kopie

Oder auch vor amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, die manchmal ungewollt und ungerufen vor meinem inneren Auge erscheinen, während der Rest von mir sonnenbadet.

Lassen Sie sich nicht erschrecken, aber merken Sie sich die nächsten beiden Lesungstermine:

30. November im Alten Amtsgericht in Böblingen

8. Dezember im Mehrgenerationenhaus Treff am See in Böblingen.

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