Diesen Film musste ich unbedingt sehen – allein wegen seines wunderbaren Titels. Alle sind wir Fremde (…auf dieser Erde) , so könnte man ihn ins Deutsche übersetzen, mit der Betonung auf dem ersten Wort. Fremd-Sein heißt meistens Einsam-Sein und so handelt dieses zarte, anrührende Film so stark von der Einsamkeit, dass man sie als Zuschauer*in fast körperlich spürt. Man muss sich selbst umarmen, um das auszuhalten: Der vielleicht vierzigjährige Adam – ein ansehnlicher, gut gebauter Mann – lebt alleine und lustlos vor sich hin in einem Hochhaus in irgendeiner Großstadt. Diese Symbole der Gegenwart, die ja alle eine ähnliche (phallische? ultramännliche? unerreichbare?) Silhouette haben, strömen die Atmosphäre der Verlassenheit aus. London oder Tokio (der Film basiert auf dem Roman eines Japaners)? Wer weiß das schon, diese Hochhäuser gibt es überall.
In diesem wohnt fast niemand. Die undurchdringliche Eisamkeit, die diesen Mann, einen Drehbuchautoren, umgibt, rührt von einem Kindheits-Trauma her: Er verlor beide Eltern durch einen schrecklichen Autounfall, als er vierzehn war.
Filmisch immer wieder durch Spiegel und reflektierende Glasscheiben und Fenster präsentiert, entwickeln sich zwei Handlungen parallel: Der Protagonist taucht in eine homosexuelle Beziehung zu dem einzigen anderen Bewohner des Hochhauses ein, einem jügeren, offenherzigen, aber auch oft trunkenen jungen Mann. Und er kehrt zurück in sein vorstädtisches Elternhaus, um sich seinen Eltern zu erklären. In beiden Beziehungen wärmt sich der unterkühlte Erzählton auf, aber immer wissen wir als Zuschauer, dass wir uns – wie die beiden Protagonisten auch – auf dünnem Eis bewegen. Sind die Gegenspieler – das 80iger-Jahre-Elternpaar und der Liebhaber – wirklich oder doch nur ein Traum, eine Hoffnung? Leben die Toten neben uns, ohne dass wir es bemerken? Oder sind wir es, die nicht richtig zu leben verstehen?
Wirklichkeit oder Traum? Lebendig oder tot? Kann es beides gleichzeitig geben? (*)
Der Film endet mit einem wahrhaft wunderbaren Bild: die beiden Männer eng umschlungen im Bett, im Schlaf einander tröstend. Dahinter aber verbirgt sich die schmerzliche Frage, ob einer von beiden überhaupt noch am Leben ist.
Angelegt ist die Geschichte als Geisterroman von Taichi Yamada – ein Genre, das in Japan durchaus Tradition hat. Verfilmt ist sie – mit, so lese ich, losen Bezügen zum Buch – von Andrew Haigh im Jahr 2023. Der Film wurde von der Kritik sehr wohlwollend aufgeommen und auch prämiert. Mir hat er sehr gut gefallen.
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