Es gibt so viele Gründe für Dankbarkeit. Wenn wir nach Afghanistan blicken, werden wir dankbar für die Tatsache, dass wir in Frieden leben dürfen. Wir und unsere Kinder. Bei unseren Eltern und Großeltern war das noch ganz anders.
Dankbarkeit & glücklicher Zufall
Wenn wir nach Amerika blicken, empfinden wir Dankbarkeit für unser Bildungssystem, so ungenügend es auch in vielen Aspekten sein kann. Und dennoch: Ein gewisser durchschnittlicher Bildungsgrad verhindert, dass wir den allergrößten Schwarz-Weiß-Blödheiten der Populisten auf den Leim gehen. Und uns so schrecklich leicht auseinander dividieren lassen.
Wenn wir in viele Länder mit löcherigen (oder gar nicht vorhandenen) Gesundheitssystemen schauen, begreifen wir, wie gut wir bisher durch die Pandemie gekommen sind. Jedenfalls, wenn wir gesund oder genesen oder geimpft sind. Anderswo mussten Millionen Menschen elend sterben. Und konnten manchmal nicht einmal anständig begraben werden.
Innere Dankbarkeit
Natürlich gibt es auch Menschen bei uns, die von den Segnungen eines so reichen Industrielandes wenig mitbekommen. Menschen, die den Klimawandel, den wir so lange ignoriert haben, am eignen Leibe schmerzhaft erleben mussten. Menschen, die zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Menschen, die aus ihrer Armut nicht herausfinden können, weil sie unterbezahlte Jobs annehmen müssen, um überleben zu können oder zu spät gemerkt haben, dass die Rente für ein anständiges Leben nicht reicht.
Wenn wir zu diesen nicht gehören, dann gibt es Grund zur Dankbarkeit. Das ist eine Dankbarkeit, die dem Schicksal gewidmet ist, der Gnade unserer Geburt, dem unverdienten Zufall, dem Leben, das uns geschenkt wurde, dem Platz auf Erden, auf den wir gesetzt wurden. Solche Dankbarkeit wallt in uns auf, wenn wir innehalten und darüber nachdenken. Geben wir ihr Raum, sich zu entfalten. Das tut auch uns selber gut.
Dankbarkeit nach außen
Aber es gibt auch Dankbarkeit, die nach außen quellen will. Dankbarkeit gegenüber einzelnen Menschen. Gegenüber der Pfleger*in, der Ärzt*in, der Müllwerker*in, der Lehrer*in, der Kindergärtner*in, der Busfahrer*in, der Verkäufer*in, dem Zugpersonal… Dankbarkeit gegenüber all jenen, die unser Leben am Laufen halten und dabei ihres – nicht immer, aber eben manchmal doch ! – aufs Spiel setzen. Diese Dankbarkeit verlangt nach einer Geste. Wir können als Einzelne deren Löhne nicht erhöhen, keine Urlaubstage, keine Beförderung gewähren. Aber wir können einen Satz sagen, ein Lächeln schenken, einen Händedruck, eine kleine Gabe, kurz: eine Möglichkeit suchen, unsere Wertschätzung zu signalisieren. Werden Sie erfinderisch, kreativ, zugewandt – es wird einen Menschen freuen, der sich nach Kräften bemüht hat. Ohne Anerkennung ist alles nichts. Das wissen wir von uns selbst nur zu gut.
Dankbarkeit, die abverlangt wird
Dankbarkeit, die abverlangt wird, gibt es natürlich auch. Früher reichte die Wurstverkäuferin eine Scheibe hin und die Mutter sagte: Wie sagt man, Kind? Danke. Immer, das weißt du doch.
„Dankä“, sagte das Kind und aß die Wurstscheibe. Erinnern Sie sich noch daran?
Ein Geschenk verlangt nach einem Gegengeschenk. Eine Einladung nach einer Gegeneinladung. Das bringt uns manchmal unter Druck. Die gute Botschaft ist: Das muss es nicht. Wir können ein Geschenk auch als ein Gesprächsangebot auffassen: Jemand will mit uns kommunizieren und schenkt uns einen Anlass, aus dem wir etwas machen können. Wenn wir wollen. Wenn nicht, dann genügt ein freundliches Dankeschön auch.
Dankbarkeit, tief empfunden
Und dann gibt es noch die tiefe Dankbarkeit, die einen sichtbaren Ausdruck verlangt. Die Freundin, die uns in unserem Kummer immer wieder zugehört hat. Die Mutter, die uns in unserem großen Schmerz an ihr Herz gezogen und getröstet hat, immer wieder. Der Nachbar, der uns gegenüber in diesem einen schrecklichen Augenblick so hilfsbereit war, wie wir es ihm nie zugetraut hätten. Der Kollegin, dem Kollegen gegenüber, der für uns eingesprungen ist, als es für uns gar nicht mehr weiter ging. In diesen Fällen muss die Dankbarkeit eine Form bekommen. Sie muss mehr sein als nur eine Flasche Wein oder ein Strauß Blumen – beides ist okay, aber eben auch ein bisschen lieblos. Ein echtes Dankeschön muss individuell sein, nicht teuer, aber doch signalisieren, dass man sich Gedanken gemacht hat. Sich wirklich bemüht hat, sie zu zeigen: unsere tief empfundene Dankbarkeit.
Für solche Fälle ist der Autorenexpress gemacht.