Das Lehrerzimmer – die Filmkritik

Das Lehrerzimmer – ein Ort, den ich noch aus meiner Schulzeit als einen geheimen, verbotenen Bezirk im Schulgebäude in Erinnerung habe, vor dessen Tür man manchmal lange warten musste. Auch das Schulsekretariat, das im Film durchaus ebenfalls eine Rolle hat: ein Ort der Tröstung, der Hilfe, aber manchmal auch des zynisch Abgefertigt-Werdens.

Später habe ich dann selber im Lehrerzimmer residiert, auf einem festen Platz, verbarrikadiert durch in farbige Umschläge eingehüllte Heftstapel: lila – die Englisch-Hausaufgaben, grün die Erdkunde-Mitschriebe, gelb – die Deutschaufsätze. Und so weiter. Und so fort.

Das Lehrerzimmer

bekommt neben vielen anderen Preisen auch

den deutschen Filmpreis Lola

Na, riechen Sie ihn schon, den vertrauten Geruch nach Kreide, Putznmitteln und Schweiß? (*)

Eine späte Würdigung für einen Ort, der im Leben vieler eine bedeutende Rolle gespielt hat. Und die Lola auch für die wunderbare Hauptdarstellerin,

Leonie Benesch.

Gratulation! Verdient. Nicht, weil man lange Zeit – dank ruhiger Kameraführung: eine Lola auch für den Schnitt! – Gelegenheit hat, in ein hübsches Gesicht zu sehen, sondern weil da jemand echt, durchsichtig und wahrhaft zurückschaut. Ungeschönt, ungeschmint, nackt. Jemand, der alles richtig machen will.

Dass so vieles schief läuft, liegt nicht an den Handelnden, die – jednfalls zum größten Teil – ihr Bestes geben, allen voran ihren guten Willen. Viele Themen unserer Zeit werden kurz angerissen, das erkennt der Zuschauer.

Was für mich die Haupterkenntnis war: Wie die Verrechtlichung unseres Alltagslebens pragmatische Ansätze der Bewältigung von Problemen unmöglich macht. Gesetze sind für den Regelfall geschaffen, der in 99% der Fälle auch zutrifft. In einem einzigen, ganz speziellen Fall können sie aber nicht passen. Wenn keiner der Involvierten es schafft, diesen Ausnahmefall zu erklären, dann nehmen die Dinge ihren Lauf wie eine unaufhaltsame Lawine. Aus einem Steinchen wird dann eine Moräne, die alles unter sich begräbt.

Was der Film auch gezeigt hat: Unsere Unfähigkeit zur Kommunikation. Wie eine von abstrakten Schlagwörtern durchzogene Realität den Blick verstellt: Verständnis! Rassismus!!! Harmonie! Migrationshintergrund! Schulfrieden! Persönlichkeitsrechte! Social Media! Moral! Vorurteil!

Kaum steht solch ein Buzz-Word im Raum tun sich perönliche Erfahrungswelten auf, die einander hermetisch abriegeln. Eine Kleinigkeit wird zum Disaster, so dass die wunderbare, gute Lehrerin Frau Nowak am Ende an ihren pädagogischen Fähigkeiten zweifeln muss.

Ein Film, dessen zwingende Logik – immer clever gepaart mit Mathe-Beispielen! – in die Katastrophe führt, die mit einem kleinen komischen Schlenker am Ende den Zuschauer und die Zuschauerin nachdenklich (aber nicht verzweifelt) nach Hause entlässt.

Eine ausführliche Rezension gibt es hier.

Die meisten unserer Illustrationen sind Fotos von Unsplash, worauf wir mit einem (*) hinweisen. Wir danken hier allen Fotograf*innen für die großzügige Überlassung. Bilder, die mit (**) gekennzeichnet sind, stammen aus dem Bundesarchiv von media commons. Bilder mit (***) sind selbst aufgenommene Fotos oder selbst gezeichete Illustrationen. Gemälde großer Meister kommen vom Useum (****). Und die mit 5 Sternen sind mittels KI erzeugt. Danke!

Wir sammeln alle Rezensionen von Büchern und Filmen auf einer Extra Seite.

Niemand hat Sie lieb, nimmt Sie in den Arm? Na, dann sollten Sie sich selbst was gönnen! Unsere Blauen Briefe bringen Sie in gute Stimmung, versprochen!

One response

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert