Die Welt wird immer aggressiver – stimmt das?

Die Welt wird immer aggressiver, meint man, wenn man in die Zeitung schaut. Wie kann das sein?

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Das römische Reich

Klar ist, dass es nicht nur immer zivilisatorische Fortschritt gibt. Es gibt auch Rückschritte. Man muss nur an die Bauten des römischen Weltreiches denken, in deren Ruinen wir Europäer jahrhundertelang hausten. Frischwasserversorgung, warme Fußböden, geflieste Badezimmer, geordnete Latrinen – alles vergessen. Das Mittelalter kippte auf die Straße, was weg musste…

Unser Klima

Jetzt habe ich einen interessanten Erklärungsversuch in der New York Times* gelesen: (Mit)Schuld am Anstieg von Terror und Gewalt könnte das Klima sein. Genauer: der immer wärmer werdende Planet. Auch 2016 – nein, man kann es kaum glauben – war wieder ein Jahr, in dem jeder Monat wärmer war als der gleiche Monat im Jahr zuvor. Weltweit im Durchschnitt gerechnet, gefühlt kann es selbstverständlich an manchen Orten ganz anders zugehen.

Unsere Intelligenz

Der Harvard-Student Jisung Park hat nachgerechnet: Studenten, die ein Examen ablegen müssen, bringen an kühlen Tagen bessere Ergebnisse als an heißen. Wer bei 32°C geprüft wird, hat um 12% größere Aussichten, durchzufallen als derjenige oder diejenige, die bei 22°C geprüft wird. Zwölf Prozent! Das ist gravierend, finde ich (überprüft wurden 4,6 Mio Examensleistungen). Studenten, die in einem Jahr mit vielen außerordentlich heißen Tagen (über 27°C) studierten, schlossen später und mit schlechteren Noten ab als diejenigen, deren Schuljahr nicht überdurchschnittlich heiß war.

Das bedeutet, die Menschen können ihre Intelligenz bei einem Klima, das heißer ist als sie es gewohnt sind, nicht so gut einsetzen wie bei kühlerem.

Unsere Überlebensfähigkeit

Auch die Sterblichkeitsrate steigt, wenn es heißer als normal wird. Europa hat das im Jahr 2003 sehr deutlich erfahren müssen. Pro Tag über 32°C steigt die Mortalitätsrate um 1 % an, haben Ökonomen in Amerika ausgerechnet.

Das bedeutet, die Menschen haben bei Temperaturen, die höher sind als sie es gewohnt sind,  geringere Überlebenschancen.

Unsere Produktivität

In Fabriken, selbst wenn sie air-conditioned sind, sinkt die Produktion um 8%, wenn eine Woche im Schnitt über 32°C heiß ist. Das deckt sich mit dem, was ich einmal irgendwo gelesen und nie vergessen habe: Der amerikanische Süden kam nicht erst auf die Beine, als die Sklaverei abgeschafft wurde, sondern erst als die Räume klimatisiert werden konnten…

Das bedeutet, die Menschen  sind bei Temperaturen, die höher sind als sie es gewohnt sind, weniger produktiv.

Unsere Aggressivität

An heißen Tagen, so hat es der Ökonom Edward Miguel in Berkeley beobachtet, steigt die Kriminalitätsrate: Krieg, Mord, Totschlag, Aufstände (Brasilien), aggressives Autofahren und Unfälle (Spanien), sektiererische Überfälle (Indien), Hexenverfolgung (Tansania), Polizeigewalt (USA): „It’s pretty stunning how the relationship between climate and violence holds across the globe.“

Das bedeutet, die Menschen fühlen sich bei Temperaturen, die höher sind als sie es gewohnt sind, irritiert und unwohl und neigen vielleicht deshalb stärker zu Regelbrüchen, die dem Gemeinwohl schaden.

Wenn dies alles für die USA und Europa zutrifft, wie viel gefährlicher können dann die Auswirkungen des Klimaanstiegs in den jetzt schon wirklich heißen Zonen der Erde werden? Einen Vorgeschmack erleben wir ja zur Zeit: Kriegsparteien im heißen Nahen Osten, die unfähig zum Kompromiss sind.

Dies alles gibt einem zu denken, nicht wahr? Unser Planet wird nicht nur heißer, sondern auch voller… Und dabei wissen wir, dass wir den Klimaanstieg nicht verhindern können werden. Sondern nur – wenn wir uns denn endlich einigen können und Lippenbekenntnissen auch Taten folgen lassen – mildern. So verlangsamen, dass wir technisch (und menschlich-zivilisatorisch) mit den Veränderungen mithalten können…

 

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Und vielleicht auch handeln: Brillen für alle schaffen, damit an allen Orten der Erde darüber nachgedacht werden kann, welche kleine Schritte zur Lösung des Klimaproblems beitragen könnten.

>hier geht es zur 1-Dollar-Brille

*Ausgabe vom 16.9.2016

 

 

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