Eine neue Unterführung wird gebraucht, weil eine kleine öffentliche Schienenbahn (heute im Besitz von Landkreisen) für Pendler so erfolgreich ist, dass sie den Verkehr blockiert. Die Schönbuchbahn, derzeit in Elektrifizierung begriffen, hat so stark eingeschlagen, dass sie nun über der Erde fahren darf und die Autos hinunter müssen. So weit eine gute Nachricht! Aber: So eine Unterführung reißt eine Riesenschneise in die Landschaft, ist völlig aus grauem Stein und insgesamt keine wirkliche Schönheit.
Einer Unterführung Leben einhauchen – geht das überhaupt?

Die Böblinger Galerieleiterin Corinna Steimel hat es versucht und drei Künstler beauftragt, eine neu gebaute, sehr betonerne Straßenunterführung für Autos zu besprayen. Ja, tatsächlich, Grafitti in städtischem Auftrag! Und zwar
Portraits
von besonderen Persönlichkeiten des städtischen Lebens sollten das Grau des Sichtbetons aufmischen. Und das ist wahrhaftig gelungen!
Die drei Künstler, die sich ans Werk gemacht haben, sind: Henrieke Ribbe, Jim Avignon und der Sprayer Shootingstar Jeroo.

Mancher, der jetzt durch die ziemlich lange Unterführung spaziert oder radelt, schüttelt den Kopf, mancher freut sich an den Farben und wieder andere rätseln, wer da denn eigentlich abgebildet ist. Ob es nun gefällt oder nicht – ihren Zweck hat die Aktion erreicht: Menschen betrachten Kunst, suchen einen eigenen Standpunkt und tauschen ihre Meinungen aus.

Hier hat Jim Avignon zum Beispiel ein Stück Stadtgeschichte abgebildet: Der Unternehmer Lyon Sussmann und sein erfolgreiches (und sehr frühes: 1912!!!) BH-Modell seiner Firma Hautana am gezeichneten Modell (einer Böblingerin?).

Henrieke Ribbe hat den schwäbischen Maler Reinhold Nägele portraitiert, der Böblinger Motive in sein Oevre mit aufgenommen hat und der später in die USA emigriert ist. Sein Sohn Thomas, der als Grafiker in New York gearbeitet hat, hat viele Jahre lang Weihnachtskarten für die Stadt Böblingen gezeichnet.

Hier der bekannte Flugzeugkonstrukteur, Unternehmer und Ehrenbürger der Stadt Hans Klemm, interpretiert von Jim Avignon.
Nicht nur gelebte Leben wurden gezeichnet, sondern auch solche, die noch mittendrin sind im Wandel der Zeiten: So oben der Künstler selbst und unten die derzeitige Baubürgermeisterin der Stadt.

Und unter diesen ist, das soll hier nicht verschwiegen werden, auch die Autorin dieses Blogs. Nämlich ich, Nessa Altura. Ja, das hat mich sehr gefreut. Ich sehe da zwar etwas skeptisch drein (habe ich das wirklich verdient?) … meine es aber nicht so. Ja, doch, liebe Künstler, liebe Künstlerin – ich bedanke mich sehr, sehr herzlich für die große Ehre, Sprydosendüsengegenstand gewesen zu sein!

Sie feiern auch so gerne Feste? Dann mal nachschauen, was bei uns alles so los war!
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