Nicht nur unter Corona haben wir erkannt, wie wichtig persönliche Unterhaltungen zu einzelnen Themen sind. Weil es aber physisch nicht immer geht, müssen wir uns online unterhalten, so zum Beispiel per eMail.
Wir wollen ab jetzt ab und an kurze Statements veröffentlichen, die uns unsere Leserinnen und Leser spenden. Wir fragen, sie antworten spontan. (Nicht unähnlich der Runde, die uns schon zum Thema Sinnlich sein oder werden ihre Ansichten spenden (zu finden unter den Frivolini).) Es geht nicht um Tiefschürfendes, sondern um ein paar Sätze, die uns verraten, wie jemand über eine gewisse Sache denkt.
Wir haben uns wieder getroffen – virtuell natürlich. Und uns – und die Männerrunde – mit folgender Frage beschäftigt:
Wertschätzung“ ist in aller Munde. Was versteht ihr darunter? Könnt ihr ein Beispiel aus eurem Leben erzählen, in dem ihr entweder Wertschätzung erfahren oder gespendet habt?
Hier ist Barbara aus Fürth:
Barbara sagt:
Ich heiße Barbara und bin nach der Juristerei auf die Kunst gekommen. Eine Kunst, die zum Nachdenken und Loslassen anregen soll und die ich mit Leidenschaft betreibe.
Liebe Nessa,
deine Frage, was ich unter Wertschätzung verstehe?
Ein Beispiel aus meinem Leben?
Der Applaus, den Pflegekräften in der Coronakrise gegenüber, war Ausdruck einer Wertschätzung der wohl gesamten Zivilgesellschaft. Der Ausdruck eines tiefen Respekts angesichts der gefahrvollen und anstrengenden Arbeit der Pflegenden.
Diese Haltung,die erst eine menschliche Gesellschaft schafft, begegnet mir vornehmlich im persönlichen Kontakt mit Menschen.
Es ist schon länger her, aber für immer in meinem Gedächtnis.
Eine Gerichtsverhandlung beim Verwaltungsgericht in der Besetzung von fünf Richter*innen.
Im Gerichtssaal eine iranische Familie. Vater, Mutter und zwei Kinder,die in der Bundesrepublik Deutschland Asyl begehren.Eine langwierige, zweistündige Verhandlung,in der die Glaubhaftigkeit der Aussagen dieser Kläger für eine Asylanerkennung zählt. Eine anstrengende Verhandlung für die Asylbegehrenden, die gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundeamtes für Migration und Flüchtlinge klagen.
Nach Ende der mündlichen Verhandlung wird den Klägern mitgeteilt,dass eine Entscheidung über das Asylbegehren nicht gleich erfolgt, sondern ein Urteil erst nach eingehender Prüfung durch das Gericht ergeht. Trotz dieser Ungewißheit über den Erfolg des Asybegehrens durch das Gericht kommen die Kläger nach vorne an den Richtertisch und bedanken sich mit vielen Worten für die für sie anstrengende und alles entscheidende Verhandlung. Die Kinder der Kläger schenken uns in der Verhandlung gefertigte Zeichnungen; die fünf Richter des erkennenden Verwaltungsgerichts sind darauf zu sehen.
Diese gegenseitige Wertschätzung – durch die Kläger und durch das Gericht – erfüllt mich mit Dankbarkeit.
Bedeutung ⓘ Duden
Ansehen, Achtung; Anerkennung; hohe Einschätzung
Barbara Häberlein
Hier ist Anika aus Radbruch:
Wertschätzung“ ist in aller Munde. Was versteht ihr darunter? Könnt ihr ein Beispiel aus eurem Leben erzählen, in dem ihr entweder Wertschätzung erfahren oder gespendet habt?
Ich bin Anika. Schreiben war schon immer mein Ding. Schon in der Grundschule hatte ich Brieffreundschaften, später sogar weltweit. Und heute bekomme ich als freie Journalistin sogar Geld dafür. Außerdem bin ich Briefe-mit-dem-Füller-Schreiberin, Postkarten-Liebhaberin, in meinem Wohnzimmer steht eine antike Schreibmaschine zur Deko und auf meinem Herzen habe ich viele Tintenflecken.
Liebe Nessa,
In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit beim Deutschen Roten Kreuz, wo ich Blutspenden organisiere, erlebe ich, wie wichtig Wertschätzung ist. Wer nicht genug Wertschätzung bekommt, bleibt nicht lange dabei. Aus meiner Sicht fehlt es an der notwendigen Anerkennung. Dabei reicht häufig ein einfaches „Danke“.
Diese Wertschätzung erachte ich besonders in Berufsgruppen wie der Polizei, der Pflege und der Bundeswehr als essentiell. Inspiriert durch die amerikanische Kultur, in der es üblich ist, Soldaten für ihren Dienst zu danken, habe ich mir angewöhnt, bei jeder Gelegenheit auch Feuerwehrleuten, Polizisten, Pflegekräften und anderen in ähnlichen Berufen bei jeder Gelegenheit zu danken.
Die Arbeit, die Pflegekräfte leisten, ist von unschätzbarem Wert und verdient weit mehr als nur Applaus. Sie sind die stillen Helden unseres Alltags, die unermüdlich für das Wohl und die Lebensqualität anderer sorgen. Es ist höchste Zeit, dass wir als Gesellschaft erkennen, was wir ihnen verdanken. Sie verdienen nicht nur Worte der Dankbarkeit, sondern auch eine angemessene Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Unterstützung. Schließlich liegt unser Wohlergehen und Leben in ihren Händen.
Hier ist Ines aus Böblingen:
Wertschätzung“ ist in aller Munde. Was versteht ihr darunter? Könnt ihr ein Beispiel aus eurem Leben erzählen, in dem ihr entweder Wertschätzung erfahren oder gespendet habt?
Mit 18 Jahren war ich in der Stuttgarter Kunstakademie, seither bin ich das, was man Freischaffende Künstlerin nennt mit Schwerpunktthema „Mensch“. Froh bin ich über Literatur und glücklich, wenn ich ein schönes Buch in Händen halte.
Vor Jahren sah ich ab und zu einen älteren Mann bei Kulturveranstaltungen, er kam immer alleine oder wurde gebracht, weil er sich sehr schwer tat durch sein stark gekrümmte Haltung. Irgendwann habe ich ihn mal angesprochen, wir kamen ins Gespräch und so fragte ich ihn, ob ich ihn mal besuchen könne. Er schaute mich an mit buchstäblich leuchtender Freude. Und so ging ich hin an einem 24. Dezember, nachmittags.
Durch eine Bücherhöhle führte mich ein Trampelpfad bis zu seinem Wohnzimmertisch. Ab da war ich einmal in der Woche bei ihm, immer montags, weil er dann an den einsamen Wochenenden etwas zum freuen hatte. Er war ein anregender Gesprächspartner, ich mußte allerdings sehr laut reden, wegen seiner Schwerhörigkeit. Irgendwann kamen wir auf die Idee, daß ich ihm vorlesen könne, weil ihm das Lesen auch zunehmend schwer fiel.
Aber ohne Bücher fehlte ihm als ehemaligem Buchhändler etwas Wesentliches. Geld hatte er wenig zur Verfügung, da ihn seine Behinderung in den frühzeitigen Ruhestand zwang. Aber für Bücher hätte er gehungert. Nach einiger Zeit erzählte er mir, daß ihm von der Sozialstation eine Psychologin zugewiesen worden war, weil er suizidgefährdet war. Wegen Einsamkeit. Jetzt aber nicht mehr, wegen der Montage, an denen ich kam.
Zu dem Zeitpunkt war es mir längst ein Bedürfnis, die Gespräche und auch hitzigen Diskussionen mit ihm wollte ich nicht mehr missen. Auch nicht seinen Humor und seine vergnügte Art, auf das Weltgeschehen zu blicken. Zu seinem Geburtstag haben wir ihn zum Essen ausgeführt. Das wurde immer schwieriger, denn er konnte sich immer schlechter bewegen. Schließlich in einem Lokal angekommen, erregte er die Aufmerksamkeit aller Anwesenden: sein kleiner und extrem gebeugter Körper, seine sehr armselige Kleidung und vermutlich auch sein nicht sehr frischer Geruch. Und da er überhaupt keine Zähne mehr hatte und sich auch keinen Ersatz leisten konnte, war seine Art zu essen ebenfalls ziemlich auffällig.
Ich könnte Seiten füllen mit den Erfahrungen und Erlebnissen, die ich mit diesem besonderen Menschen gemacht habe, einem armen und behinderten Mann, mit dem ich per Sie blieb und dennoch seine Fee war.
Eine Wertschätzung und schließlich Freundschaft, die durch seinen Tod irgendwann ihr Ende fand.
Herzliche Grüße,
Ines
Hier ist Daniela aus Düsseldorf:
Wertschätzung“ ist in aller Munde. Was versteht ihr darunter? Könnt ihr ein Beispiel aus eurem Leben erzählen, in dem ihr entweder Wertschätzung erfahren oder gespendet habt?
Ich bin Daniela aus Düsseldorf, kann ortsunabhängig arbeiten und reise gern in mein Lieblingsland Spanien!
Liebe Nessa,
für mich bedeutet Wertschätzung z.B. Tiere nicht zu essen. Ich esse sie seit 13 Jahren nicht mehr. Ich würde nicht sagen, dass ich besonders tierlieb bin, Haustiere kommen für mich nicht in Betracht, da ich weder Zeit noch Nerven haben, mich um sie zu kümmern, wie sie es verdient hätten. Und ich stürze mich auch bei Freunden nicht nicht auf Hund und / oder Katze wenn ich zu Besuch bin. Es sind für mich Lebewesen, die auch leben wollen und nicht dazu da sind, von mir verspeist zu werden, nur um meinen Speiseplan zu bereichern.
Mit besten Grüßen
Daniela Cremer
Hier ist Lea aus Aachen:
Wertschätzung“ ist in aller Munde. Was versteht ihr darunter? Könnt ihr ein Beispiel aus eurem Leben erzählen, in dem ihr entweder Wertschätzung erfahren oder gespendet habt?
Ich bin Lea, Altruistin, Misanthropin, halb freiberufliche Texterin und Übersetzerin für Leichte Sprache, halb Geschäftsführerin eines gemeinnützigen Vereins, ohne menschlichen Anhang, dafür wunderbar fest verbunden mit dem unglaublichsten Profiplüschtier der Welt, meiner Blindenführhündin Arzu.
Wertschätzung hat für mich sehr viel mit Ernstnehmen zu tun. Ich
verstehe den Begriff im Sinne der Wertschätzenden Kommunikation,
hervorgegangen aus der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall
Rosenberg, einer wesentlichen Grundlage der Zivilen Konfliktbearbeitung,
die durch zahlreiche Organisationen in verschiedenen Konfliktregionen
der Welt von Friedensfachkräften praktiziert wird. Es geht darum, die
Bedürfnisse und Wünsche der vermeintlichen Gegenseite anzuhören und ihre
Beweggründe nachzuvollziehen, um sich dadurch auf Augenhöhe zu begegnen,
sich gegenseitig zu verstehen und einen Konflikt auf diese Weise
wertschätzend beizulegen. Für das gegenseitige Verständnis ist es
unerlässlich, das Gegenüber ernst zu nehmen und sich in seine Bedürfnis-
und Wahrnehmungswelt hineinzuversetzen. Warum handelt eine Person so,
wie sie handelt? Warum wünscht sie sich die Dinge, die sie sich wünscht?
Und wie kann ich meine Bedürfnisse mit denen meines Gegenübers in
Einklang bringen, damit niemand benachteiligt wird oder sich so fühlt?
Weil ich das so wichtig finde, behandele ich möglichst alle Menschen
dementsprechend – auch und gerade Leute, für die ich sowas wie
Personalverantwortung trage. Ok, das sind nur drei Minijobberinnen und
ein Bundesfreiwilligendienstleistender, und meine Umgangsform wird mir
oft als zu große Nettigkeit ausgelegt, aber die Leute sind viel
motivierter, wenn ich auf sie eingehe, mit ihnen gemeinsam Lösungen und
Kompromisse suche und nicht einfach nur Schimpfe, wenn mal etwas
schiefläuft.
Sorry, das war lang und das Beispiel ist sehr unkonkret, aber ich wollte
es nicht noch länger machen 😉
liebe Grüße
Lea
Hier ist Nessa aus Böblingen:
Wertschätzung“ ist in aller Munde. Was versteht ihr darunter? Könnt ihr ein Beispiel aus eurem Leben erzählen, in dem ihr entweder Wertschätzung erfahren oder gespendet habt?
Mich kennen Sie natürlich. Ich bin Nessa Altura, die Betreiberin dieses Blogs. Und ich bin diejenige, die hier die Fragen stellt.
Wertschätzung – natürlich wünscht sich die jede*r. Und jede und jeder hat ja auch einen Wert und möchte mit diesem gesehen werden. Warum es uns so schwer fällt, Wertschätzung auch zu zeigen? Ich denke, es hängt damit zusammen, dass man nicht in die Rolle der Beurteilenden gedrängt werden möchte, der sozusagen Zensuren vergibt. Leichter ist da es da, einfach ein „Ich mag dich“ zu vergeben oder ein „das gefällt mir so“. Schön war es, eure Betrachtungen zu lesen und dabei den Vorsatz zu fassen, doch öfter mal Wertschätzung zu offerieren, durch ein Lächeln, durch Gesten, ein Nicken, ein Zustimmen. Oder tatsächlichen einen schönen Satz!
Ich habe beim letzten Krimipicknick viel Wertschätzendes gehört, was mich sehr gefreut hat. Da haben sich Menschen die Mühe gemacht, das Besondere an ihrem Erleben bei der Veranstaltung in Worte zu fassen. Eine wirklich wertschätzende Mühe!
Ihr Lieben, vielen Dank für eure Antworten. Und die berührenden Geschichten dazu.
Sie mögen unsere Runde? Dann folgen Sie ihr! Alle bisherigen Beiträge unserer Runde können Sie auf einer Seite nachlesen. Und wie wärs, wenn Sie mitmachten?