1000 Zeilen. Die Filmkritik

Der Relotius-Fall hat ja niemanden kalt gelassen, der sich für Texte und Journalismus interessiert. Und natürlich für die Ursache und Wirkung von Fake News – einem Begriff, den Donald Trump wohl der Welt geschenkt hat.

Sie erinnern sich: Claas Relotius, der SPIEGEL-Reporter, vielfach ausgezeichnet, schließlich als Betrüger entlarvt.

Spiegel-Haus (Hamburg-Altstadt).1.11785.ajb.jpg

Wikipedia (siehe oben) hat den Fall ausführlichst dargestellt. Das Drehbuch also war geschrieben für den Film, der sich sehr dicht an der Wirklichkeit bewegt und sein Personal nur notdürftig oder überhaupt nicht camoufliert. SPIEGEL-Journalist Moreno, im Film Romero genannt, hat selbst ein Buch über seine Relotius-Recherchen verfasst und die Filmrechte daran an Bully Herbig abgegeben. Und der hat einen ordentlichen Film daraus gemacht, den anzusehen ich durchaus empfehle. Die Handelnden sind gut besetzt. Die Handlung ist zügig und niemals langweilig, anderseits sind aber auch die Schnitte nicht allzu schnell. Mir besonders gefallen haben die Meta-Sequenzen im Film, die das eigentliche Thema gedoppelt haben: Wir wissen so vieles und kennen so vieles in Bildern, dass diese die Wirklichkeit überlagern. So wie Relotius/Bogenius seine Reportagen unseren vorimplizierten Bilder anpasst, so zeigt Herbig in kleinen Filmsequenzen vorab die Lage, so wie wir sie zu kennen glauben:

In Arizona sehen die Menschen halt so aus… (*)
  • das Duell zweier Protagonisten (= das Duell zweier Westernhelden, die Finger am Abzug)
  • die Rache des zunächst Gedemütigten (= Romero schmeißt die Presse-Preis-Statuen gegen Spiegel)
  • die Verzeihung der Familie (= glückliche Kids nebst Mutter schweben durch Sommerwiesen)
  • die bösen Grenzjäger (= rechtsradikale, waffengespickte Westernhelden im Gegenlicht)
  • usw

Und erst danach folgen die Bilder, die zeigen, wie es wirklich ist: niemals optisch so opulent, niemals so drastisch, niemals so temperamentvoll wie in unseren Vorstellungen.

Dem Film ist vorgeworfen worden, dass er die Strukturen, die den Fall Relotius erst möglich gemacht haben, nicht wirklich zur Sprache bringt. In einer Szene aber tut er es doch: Als die Chefredakteure nämlich einen Werbefilm zu ihrem Magazin vorgeführt bekommen, sind sie so sichtlich beeindruckt von ihrer eigenen Wirkmächtigkeit und Größe (im Sinne der Aufklärung), dass sie in Ehrfurcht vor sich selbst erstarren. Und wer sich selbst so großartig findet, kann eben leider nicht mehr klar denken…siehe Trump (et al).

1000 Zeilen

derzeit im Kino. Empfehlenswert!

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>Nix Netflix. Wie wärs mit einem Bücher-Abo?

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