Die Filmkritik: Tolkien

Biopics sind immer interessant, werden doch niemals Menschen portraitiert, die langweilig sind oder gewesen sind. Nun also der Erfinder der Herr-der-Ringe-Welten, John Ronald Reuel Tolkien.

In Südafrika geboren, verlebte er seine Kindheit und Jugend in England, die der Film anschaulich nachzeichnet. Motive aus dem Herrn der Ringe tauchen immer wieder auf – ein phantasievolles Kind kann sicher aus den Schatten an der Wand, dem Spiel der Baumblätter, den Nebeln über den Wiesen und den Silhouetten der Menschen Fantasy-Figuren erschaffen. Die besondere Zutat des Schicksals bestand jedoch in der außergewöhnlichen Sprachbegabung des Jungen, den das Altenglische, das Finnische, das Walisische und ganz besonders das Gotische dazu inspirierten, sich eine eigene Sprache auszudenken.

Ein bisschen Gotisch hören?

Tolkiens Hinwendung zur Alten Welt zeigt sich an vielen Stellen im Film – manchmal meint man, er spiele vor der Jahrhundertwende und nicht in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Ohne den Film hätte ich nicht gewusst, dass Tolkien vermutlich „tollkühn“ heißt

Während der Film die alte englische Welt zeigt (Birmingham, Oxford) kann man als Zuschauer den Gedanken nicht verscheuchen, dass die großen Fantasy-Welten, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, alle von der Insel, die sich jetzt von Europa entfernen will, stammen: da sind der Herr der Ringe, Harry Potter und Game of Thrones. Der Historizismus scheint auf der Insel und in ihren Bewohnern eine wundersame Heimat gefunden zu haben.

Ich lese Fantasy nicht gerne, kann also zu diesen Welten nicht viel sagen. Aber ohne die englische Landschaft, die englische Kultur, die englische Mythologie und Historie sind alle drei nicht denkbar…

Was ich jedoch bewundere, das ist die einzigartige Kraft und Konzentration einzelner Dichter und Dichterinnen, solche Welten zu erschaffen, auszubauen, einzureihen, auszustaffieren. Und mit Gesetzen, Traditionen und eigenen Mythen zu versehen.

Die Filmkritik: Tolkien

Was mir weniger gefallen hat war die starke Auseinandersetzung des Films mit Tolkiens Kriegserfahrungen in der furchtbaren Schlacht an der Somme. Wichtig, gewiss, und auch prägend für den jungen Mann – aber man fragt sich doch, was Menschen, die die Kehrseite des hehren Kriegs-Pathos am eigenen Leibe erfahren müssen, dazu bringt, ebendieses an zentraler Stelle in ihr literarisches Werk einzuweben.

TCBS heißt der Boys Club, den Tolkien, Christopher Luke Wiseman, Robert Quilter Gilson und Geoffrey Bache Smith in jungen Jahren tatsächlich gegründet haben. Nur zwei der vier kehrten aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Das Thema der Männerfreundschaft oder – bünde bleibt Tolkien allerdings stets erhalten.

Kurzum: Ein sehenswerter Film, der es – zu meiner großen Überraschung – fertig gebracht hat, ohne deutliche Hinweise auf Personal und Themen des weltweit heißgeliebten Herr-der-Ringe-Universums eine eigentlich skurrile Persönlichkeit sympathisch rüberzubringen.

>Nix Netflix. Wie wärs mit einem Bücher-Abo?

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