Gestern habe ich bei ARTE den schwedischen Film
Höhere Gewalt
angesehen. Er hat mir gefallen – auch, weil auf das Schicksal der Estonia Passagiere verwiesen wurde, das mich damals, als die Fähre in Minutenschnelle unterging, sehr beschäftigt hat. Wer hatte überlebt und warum?
Ich will nun nicht den Inhalt nacherzählen, er kann bei Bedarf bei Wikipedia nachgelesen werden.
Mich hat nicht so sehr die Grundfrage (Ist es ein weiblicher Überlebensinstinkt, die Brut zu schützen – während der männliche darauf abzielt, sich selbst in Sicherheit zu bringen?) interessiert als vielmehr die Stilmittel. Ich fand die Vermischung von der Gewalt der Natur mit der Gewalt der Maschinen extrem spannend. Und gelungen.
Die höhere Gewalt der Natur
drängt sich natürlich in den hochalpinen Zonen in den Vordergrund. Nicht zuletzt ihretwegen fahren wir im Winter in die Berge – diese weißen Schneemassen, dieser filigrane Pulverschnee, diese schroffen Grate, diese eisigen Winde, diese fluffigen Nebel, diese unbeschreiblichen Panoramablicke – alles wunderbar.
Dass die gleiche Natur auch lebens-bedrohlich sein kann, ist klar, wird aber von uns Touristen verdrängt. Wer glaubt schon, dass man auf einer Nebelpiste verloren gehen kann, obwohl die mit leuchtenden Pfosten abgesteckt ist? Wer glaubt schon, dass eine Lawine auf den schön gedeckten Esstisch auf der Terrasse niedergehen kann? Dass man im Pulverschnee ersticken kann? Und dass Kälte töten kann?
Die höhere Gewalt der Maschinen
Die sind menschengemacht, aber dennoch ebenso furchteinflössend: Die riesigen Räder der Turbinen, die kleine Gondeln mit dünner Blechhaut hoch hinauf transportieren – über unsagbar schaurige Abgründe hinweg. Menschen vertrauen sich fröhlich altersschwachen Sesselliften an und hängen mit ihrem Gewicht und ihrem Leben an winzigen Lifttellern unterm Po (dem es übrigens ganz schön kalt werden kann, wenn man auf der Piste plötzlich einen drückenden Drang verspürt). Abends putzt man sich sich mit elektrischen Zahnbürsten im Mund herum, die aussehen wie Schlagbohrer. Während draußen in der Nacht dumpfe Schüsse Lawinen nach allen Regeln der Kunst auslösen sollen, spielen Kinder mit lebensgefährlichen Drohnen herum und müde Reinigungskräfte legen sich Staubsaugerschläuche um den Hals, die sie erdrosseln könnten, wären (oder würden) sie lebendig.
Großartig der Schluss: Ein undurchsichtiger und untüchtiger Fahrer lenkt den Bus mit den abreisenden Touristen ins Tal – an jeder Serpentine kommt es zu höchst beängstigenden Manövrier-Problemen. Wir liefern uns also nicht nur (naiv) der Natur aus und den Maschinen, sondern auch völlig unbekannten Menschen ….
Gefallen hat mir daneben, dass während meines Filmgenusses unser Geschirrspülautomat die merkwürdigsten Geräusche von sich gab: klingeln, rumpeln, zischen, murren. Tja, was wissen wir eigentlich von den Geräten, denen wir unser Alltags-Leben anvertrauen?
Jetzt ist der Film in der Mediathek. Wenn Sie nichts Besseres zu tun, dann schauen Sie ihn sich an. Empfiehlt sich aber nur für Skifahrer – die werden auf Gedanken stoßen, die ihnen bekannt sind und die wir, vergüngungssüchtig wie wir sind, nie zu Ende denken…
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