Parasite. Der Film. Die Rezension.

Ich habe den koreanischen Film Parasite angesehen, der in Cannes die goldene Palme gewonnen hat. Interessanterweise wurde er in Orginalsprache mit deutschen Untertiteln gezeigt – so konnte man sich einmal ín das Koreanische hineinhören. Es erschien mir gar nicht so fremd von den Lauten her, aber natürlich habe ich nicht einmal die eingestreuten ausländischen Begriffe wie Amerika oder  cool oder  Illinois oder Pizza heraushören können. Angenehm ist, dass manche Laute sehr wohl das ausdrücken, was die Gesichter besagen: höchste Verwunderung, Überraschung, Ablehnung, Ungläubigkeit.

Parasite. Der Film. Eine Komödie.

Der ganze Filmwitz beruht auf der Spaltung der koreanischen Gesellschaft.

Auf der einen Seite sind die wohlhabenden, vielleicht sogar reichen urbanen Familien, die rasch in eine kosmopolitische Liga aufgestiegen sind, was Architektur, Mode, Freizeitgestaltung, Bildung, Rituale, usw betrifft. Vielleicht zu rasch, denn sie haben sich eine eher ländliche gutartige Naivität bewahrt. Man fragt sich, wie sie es so ganz ohne Ellenbogen hinauf geschafft haben können in das gesellschaftliche Topsegment. Sie scheinen sich das selbst zu fragen, weil sie – Vater, Mutter, zwei Kinder, allerhand Hündchen – nicht ihrem gesunden Menschenverstand vertrauen, sondern nur auf die Empfehlungen anderer horchen. Das, so hat sich der Autor des Drehbuches gedacht, lässt sich nutzen.

Parasite: Das Setting

Die andere Gruppe sind die Landbewohner, die wie überall auf der Welt in die Städte gezogen sind, um ihre Chancen dort zu suchen. Dass sie mit Tausenden anderen konkurrieren müssen, wird ihnen klar, als sie mit einer slum-ähnlichen Unterkunft im Souterrain – Kakerlaken, Abfälle, Gestank und Fäkalien inbegriffen – zurechtkommen müssen. Die Familie tröstet sich mit Lebensweisheiten (der koreanische Mythos vom Berg spielt hier eine Rolle, sowie die Vorstellung vom plangemäßen Handeln) und ergreift bauernschlau jede Chance, die sich bietet.

Parasite: The Turning of the Screw*

Nach und nach zieht ein Familienmitglied  – via Empfehlungen und via anderer, durchaus bösartiger Methoden – die anderen nach und als Angestellte in den Reichenhaushalt hinein: Kunsterzieherin, Englischhilfslehrer, Chauffeur, Haushälterin. Nur der jüngste Sohn der ausgebeuteten Familie ahnt etwas: Er sagt, seltsamerweise röchen die Neuen alle gleich. Aber niemand gibt etwas darauf, selbst die Hunde spielen mit.

Parasite: Spaß muss sein!

Es kommt, wie es kommen muss – zu slapstickartigen Einlagen, zu gerade-noch-Davongekommen-Situationen, zu genialischer Improvisationskunst seitens der Eindringlinge. Man erfährt, dass die vornehmen Koreaner sich aus Furcht vor den Raketen des Nordens Atombunker unter die Häuser gelegt haben und man bekommt auch eine veritable Kim-Jong-Un-Parodie (oder seines Vaters) auf die Ohren. Am Schluss bekommt man auch das – bitte berichtigen Sie mich, wenn es nicht stimmt – in koreanischen Filmen obligatorische Blutbad, das ich nicht gesehen habe, weil ich mir bei Splatter die Augen zuhalten muss.

The Parasite: Die Schauspieler

Die Schauspieler sind alle großartig und verkörpern genau das, was sie sollen: die Überforderte, der Lässige, die Pragmatische, der Herz-auf-dem-rechten-Fleck-Habende, die Kapriziöse, der Schlaue.

Der Regisseur Joon-ho Bong tut sich leider etwas schwer mit dem Aufhören, wenn es am schönsten ist; es gibt immer wieder eine – immerhin stimmige – neue Drehung der Story in der Story in der Story…

Ein toller Filmabend. Ich habe mich wunderbar amüsiert. Höchst gelungen! Dringende Empfehlung – gute Komödien muss man pflücken, wo man sie bekommt!

Nach neuester Gesetzeslage: Vorsicht! Rezensionen sind Werbung!

*Titel einer Novelle von Henry James, in der es um Übersinnliches geht. Das Turning of the Screw ist so etwas wie das Drehen einer Daumenschraube, immer tiefer hinein ins Schmerzhafte (oder auch Scherzhafte).

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