Tár – die Filmkritik

Gestern habe ich es endlich geschafft, den hochgelobten Film Tár zu sehen, der ja schon durch seinen kryptischen Titel (plus Akzent!) darauf verweist, dass es hier um etwas Anspruchsvolles gehen wird.

In der Tat: Manches habe ich erst nach dem Lesen der Inhaltsangabe bei wikipedia begiffen. Natürlich spielt Cate Blanchett (53) ganz wunderbar, sie hat die Gesichtszüge einer hochnervösen, sensiblen Frau, die viel erlebt und erreicht hat. Unvorstellbar, den langen Film mit einem Gesicht zu ertragen, in das man weniger gern schaute…

Cate Blanchett bei den Oscars

Pressure produces diamonds, sagt sie da. Nicht immer, würd ich sagen…

Ja, vom Druck handelt der Film. Gleich zu Anfang erfährt man – für meine Begriffe etwas langatmig – um welche Koryphäe es sich bei Lydia Tár handelt: eine Dirigentin und Komponistin der allerersten Garde, weltweit.

Unter welchem Druck sie ständig steht, teilen dem Zuschauer Tempo, Tonfall, Gestik (großartig, Cate!) und Mimik mit: Die Powerfrau ist zielgerichtet, wahnsinnig schnell in allen ihren Urteilen und Entschlüssen, und ja, ziemlich unausstehlich. Das Orchesterwesen ist sicherlich ein höchst autoritärer Organismus. Eigentlich kein Wunder, wenn da korrumpiert wird, wem zuviel Macht zugestanden wird. Am Ende führt sie ihren Fall selbst herbei: Mitstreiter verstehen, wie sehr sie dominiert und manipuliert werden und wenden sich ab.

Besonders das, was Lenny Bernstein im Film über Musik sagt, ist hörenswert (*)

Ganz wunderbar zeigen die Nächte der Protagonistin, wie diese Allmacht zerfällt, für eine Frau der Musik durchaus stilecht: Sie erwacht von nervenden Minigeräuschen in der Wohnung (oder der Wohnung nebenan). Immer wieder und man spürt beim Zusehen geradezu körperlich, wie ihr Nervenkostüm immer durchscheinender wird.

Der Schluss ist leider etwas albern, für einen solch ernsthaften Film zu knallig. Die isländische Filmmusik: nun ja.

Mir hat ganz besonders gut gefallen, dass der Film sein Thema ernst nimmt und dass alle Fragen ohne große Umwege auch aufgelöst werden. Da ist kein Detail zufällig, alles hat seinen Platz. Das ist große Kunst – Erzählkunst und Bildkunst! Und man lernt etwas dazu – aus der Musikszene, der Orchester-Proben-Welt, dem Kunst-Jet-Set-Druck. Prädikat: intelligent, ambitioniert, sehenswert. Einen solchen Film, noch dazu aus Hollywood, gibt es nur alle paar Jahre einmal. Nicht verpassen!

Die meisten unserer Illustrationen sind Fotos von Unsplash, worauf wir mit einem (*) hinweisen. Wir danken hier allen Fotograf*innen für die großzügige Überlassung. Bilder, die mit (**) gekennzeichnet sind, stammen aus dem Bundesarchiv von media commons. Bilder mit (***) sind selbst aufgenommene Fotos oder selbst gezeichete Illustrationen. Gemälde großer Meister kommen vom Useum (****). Und die mit 5 Sternen sind mittels KI erzeugt. Danke!

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