Jetzt hört man ihn immer wieder, diesen altbekannten, aber neu mit ganz besonderer Betonung ausgesprochenen Begriff: Rasse.
Was ist das eigentlich? Wikipedia sagt: „Rasse ist eine umstrittene Bezeichnung für eine Gruppe von Individuen der gleichen (Tier-)Art, die anhand willkürlich gewählter Ähnlichkeiten des Phänotyps (Aussehen, physiologische Merkmale, Verhalten) klassifiziert werden. Mit der Abgrenzung zu einer bestimmten Rasse wird eine direkte genetische Abstammungslinie aller Gruppenmitglieder unterstellt.“
Direkte genetische Abstammungslinien gibt es wohl nur in der Tierzucht: bei Pferden, bei Hunden, bei Kühen, zum Beispiel. Bei allen Tieren also, in deren Reproduktion der Mensch massiv eingreift, weil er bestimmte wünschenswerte Ausprägungen erreichen will. (Und bei Pflanzen sicher auch? Rosen? Apfelsorten?) Die gehen dann oft einher mit besonderen physischen Merkmalen: hohe Kruppe, dicke Euter, Stummelschwänze, Hautfarbe, Haarfarbe, Augenfarbe.
Was ist eigentlich: Rasse?
Wenn man sich das überlegt, wird sofort klar, weshalb der Begriff „Rasse“ auf Menschen nicht anwendbar ist. Weder wird hier gezielt gezüchtet noch gibt es reine Abstammungslinien aus engen Genpools.
Wer damals den Film gesehen hat, in dem dem Menschen ihre eigene Genanalyse beschreiben, der hat es sicherlich nicht vergessen: In Promille-Anteilen waren da überraschenderweise Gene von Nordländern und Südländern vertreten, genauso wie solche aus dem fernen Osten oder aus Äquatornähe. Alles im gleichen Menschen. Wenn man die Nationalstaaten zugrundelegen würde, die ja auch willkürliche Erfindungen sind, so trüge jeder Mensch heute bestimmt, sagen wir mal, fünfzig Staatsbürgerschaften in seinem Herzen… wie das unsere bürokratisierte Welt verunsichern würde…!
Die Hautfarbe also als alles bestimmendes „Rassen“merkmal? Quatsch. Das wissen wir ja alle: Es gibt so viele Mischungen wie Menschen auf der Erde. Und keiner ist identisch mit einem anderen.
In einem Interview mit der SZ sagte der Evolutionsforscher Martin S. Fischer im Vergleich mit dem Farbkreis: „Klar gibt es dort Rot, Grün und Blau. Aber nur, wenn ich von einer zur anderen Seite springe und alles zwischendurch weglasse.“
Was ist eigentlich: Rasse?
Was dennoch stimmt: Es gibt Häufungen von Menschen mit ähnlichen Physiognomien an bestimmten Orten. Forscher empfehlen den Begriff „Populationen“ dafür. Populationen sind Massen, sie sich ständig verändern…sie werden größer und kleiner und verändern auch ihre Physis durch Zu- und Abwanderung von unterschiedlichen Gruppen. Auch der Begriff „Ethnien“ fällt; besonders, wenn indigene Populationen gemeint sind.
Viele von uns sind in einer Zeit erzogen worden, in der der Begriff der „Rasse“ selbstverständlich war. Das war auch eine Zeit, in der die Ortsunabhängigkeit der Menschen längst nicht so groß wie heute war. Auch deshalb war die Vorstellung von einem homogenen Genpool noch weit verbreitet. Das ist damit gemeint, wenn man sagt, wir seien „rassistisch sozialisiert“ – wie es bei Tupoka Ogette, deren Sachbuch wir diesen Monat vorgestellt haben, erläutert wird.
Aber Achtung: Rassismus und Rasse sind zwei unterschiedliche Begriffe. Rassismus ist Diskriminierung. Um die zu legitimieren, braucht es die (künstlich konstruierte) Vorstellung von der Rasse. Und nicht umgekehrt.
Wer wir wirklich sind…
Wir sammeln all unsere erläuterten Begriffe auf einer gesonderten Seite.
3 responses